Vor zwei Trimestern habe ich zum ersten Mal einen Blog als Oberfläche für die Moderation eines internationalen Projekts eingesetzt (TATARSTAN TRIFFT ECUADOR). Die Teilnehmer waren jugendliche Lerner (16 – 28), von denen einige die Arbeit mit einem Blog bis dahin nur in Form eines Kurstagebuches kannten und andere überhaupt keine Vorkenntnisse hatten.
Was mir während der Projektarbeit aufgefallen ist, möchte ich hier zusammenfassen, um es für zukünftige (nicht nur) eigene Projekte fruchtbar zu machen:
- Das Projekt startete mit einer Aufwärmphase, in der sich die Teilnehmer vorstellen und näher kennenlernen konnten. Auffällig war, dass einige Lerner sich etwas entmutigt fühlten, nachdem sie gemerkt hatten, dass andere viel mehr Kommentare auf ihre Vorstellungsbeiträge erhalten hatten. Es war auch interessant zu beobachten, wie sehr sich die L um Korrektheit beim allerersten Beitrag bemühten, ihnen dann aber bei kurzfristigen, unter grossem Zeitdruck geschriebenen Rückmeldungen teilweise sehr grobe Fehler unterliefen. Um den Kommunkationsfluss nicht zu behindern habe ich jedoch auf Korrekturen verzichtet, da das Ziel des Projektes nicht fehlerfreier schriftlicher Ausdruck sondern das Heranführen an lebensnahe internationale Kommunikation war.
- In der zweiten Phase, die dazu diente, über eine Google-Tabelle Arbeitsteams zu bilden, wurde die Auswahl der Teampartner hauptsächlich davon beeinflusst, wie attraktiv sie sich fanden und weniger von der Themenstellung. Das ist natürlich nachvollziehbar, wenn man sich das Alter der Teilnehmer vor Augen führt. Die etwas älteren Teilnehmer nahmen eine eher abwartende Haltung ein und liessen sich eher von ihren Interessen leiten 😉 .
- Um den L bei der Einhaltung der Fristen zu helfen, war die Erstellung eines Arbeitsplanes vorgesehen, der auf dem Blog veröffentlicht werden sollte, so dass ein gewisses Mass an Eigen- und Fremdkontrolle entsteht. Diesen Schritt sind die L konsequent umgangen 😉 Allerdings haben die meisten bei einer abschliessenden Evaluation angegeben, dass sie sehr wohl eine angemessene Zeitplanung gehabt hätten, jedoch auf grosse Schwierigkeiten bei deren praktischer Umsetzung gestossen sind. Trotzdem ergab die Befragung, dass sich alle weitere Projekte in dieser Art wünschen. Da alle Teilnehmer den DaF – Kurs neben anderen Aktivitäten wie Schule, Studium und Arbeit absolvieren, hatten sie anscheinend Probleme beim „Schutz “ des Projektes vor konkurrierenden Prioritäten.
- „Schutz vor konkurrierenden Prioritäten“ ist demnach eine Fähigkeit, zu der man die L systematisch hinführen sollte. Damit schneiden wir hier das Thema Motivation/Volition an: Selbst wenn L hochinteressiert und -motiviert an eine Aufgabe herangehen, ist das längst keine Garantie dafür, dass sie diese Aufgabe auch erfolgreich durchführen können. Um sie vor Frustration zu schützen, ist es m.E. einerseits nötig, die virtuelle Lernumgebung unter besonderer Rücksichtnahme auf motivationale Faktoren zu planen und andererseits den L Techniken und Strategien zur erfolgreichen Motivations-/Handlungskontrolle zu vermitteln. HIER ein erster Versuch einer Checkliste, die bei der Planung von virtuellen Lernumgebungen aus motivationaler Sicht Hilfestellung geben kann. Und HIER ein Literaturauswahl, für alle diejenigen, die sich für eine theoretische Vertiefung interessieren.
- Als Endprodukt des Projekts war eine auf virtuellem Wege gemeinsam erstellte Teampräsentation zu einem Aspekt des Themas „Lebensformen“ vorgesehen. Darin einfliessen sollten Ergebnisse authentischer Umfragen aus dem individuellen Lebensumfeld und der persönliche Standpunkt der jeweiligen Teampartner. Lediglich ein Team hat es tatsächlich geschafft, diese Aufgabenstellung zu bewältigen und ein gemeinsames Produkt zu erstellen. Allerdings finde ich, dass man sich als Kursleiter von diesem Ergebnis nicht einschüchtern lassen sollte, wenn man bedenkt, dass es die allererste Gelegenheit für die L war, in authentischer computervermittelter Kommunikation eine derart komplexe Aufgabe anzugehen. Ich teile in jedem Fall die Erfahrung und die Meinung von HESS, dass L systematisch und kleinschrittig an solche Aufgaben herangeführt werden müssen.
In wenigen Tagen beginnt ein neues Trimester und es startet auch wieder ein neues Projekt. Wir werden sehen, welche Ergebnisse ein nächster Versuch bringt 😉
Filed under: EM_BK/Lektion 2, Erfahrungsberichte, Weblogs im FSU |
[…] Erfahrungen mit einem Weblog als Projektoberfläche […]
Sehr anregend, Rike. Muss ich mal nachlesen, um für mein nächstes Projekt gewappnet zu sein.
Guten Morgen, Eva!
Vielleicht können wir ja auch mal etwas gemeinsam machen? Welche Niveaustufen unterrichtest du?
LG
Rike
Boah! Du bist ein Genie!